Videospiele erobern die Klassenzimmer

Etwa 30 Millionen Deutsche spielen regelmäßig Videospiele. Vor allem sind das natürlich junge Leute unter 30 Jahren. Deshalb bieten sich bestimmte Games auch als Medium für den Unterricht an. Immer mehr Pädagogen entdecken die Computerspiele als Möglichkeit, um wichtige 'Soft Skills' wie Kreativität und Teamfähigkeit zu fördern.


Etwa 30 Millionen Deutsche spielen regelmäßig Videospiele. Vor allem sind das natürlich junge Leute unter 30 Jahren. Deshalb bieten sich bestimmte Games auch als Medium für den Unterricht an. Immer mehr Pädagogen entdecken die Computerspiele als Möglichkeit, um wichtige "Soft Skills" wie Kreativität und Teamfähigkeit zu fördern, heißt es beim Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU).

Keine große Überraschung: Die USA, Großbritannien, Norwegen und Schweden sind den deutschen Pädagogen und Lehrplänen in dieser Hinsicht weit voraus. "Bisher finden digitale Spiele trotz ihrer für den Schulunterricht bestens geeigneten Motivations- und Lehrpotenziale kaum Verwendung in der Schulbildung", sagt BIU-Geschäftsführer Dr. Maximilian Schenk. Dabei seien die Möglichkeiten dazu sehr vielfältig, so Martin Geisler, Professor für Kultur und Medien an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena.

Besonders beliebt sind etwa "Serious Games", wie sie auch Firmen ihre Mitarbeiter zu Bildungszwecken spielen lassen. Dabei werden beliebte Computerspiele und ihre Inhalte im Unterricht behandelt. Ein Beispiel: Anhand des Historien-Action-Hits "Assassin's Creed" prüfen die Schüler im Geschichtsunterricht, ob die Handlung mit dem eigenen Wissen über die mittelalterlichen Kreuzzüge übereinstimmt. "Diese Form der Auseinandersetzung ist näher an der Lebenswelt der Schüler als die meisten Lernspiele und zeigt echtes Interesse an ihrer Kultur", so Geisler.

Als eines der wenigen kommerziellen Games hat "Minecraft" den Einzug in die Klassenzimmer geschafft. Das Blöcke-Puzzle fördert das räumliche Vorstellungsvermögen und spricht die Kreativität der Spieler an. Und es vermittelt Inhalte auf eine für Kinder besonders coole Art und Weise: Als Vorbereitung auf einen Chemie-Test bauen die Schüler beispielsweise Moleküle zusammen. Im Physikunterricht ordnen sie das durcheinandergeratene Sonnensystem. In Mathe beschäftigen sie sich mit Relationen, Quadranten, Flächen und Volumen. Microsoft hat bereits eine eigene Schulversion namens "Minecraft Education Edition" angekündigt.

Auf dem Computer spielen, im realen Leben belohnt werden - dieses aus den USA stammende System nennt sich "Gamification". Dabei sollen spannende Aufgaben und ein Bonussystem etwa im Bestseller "Classcraft" zum Lernen motivieren. So gibt es für richtige Antworten Erfahrungspunkte, noch mehr Punkte bringt ein gutes Referat. Das System stammt vom früheren US-Highschool-Lehrer Shawn Young, dessen Schüler als Ergänzung zu den normalen Noten Physik- und Chemiekursen ihr "Classcraft"-Level verbessern und damit Boni wie essen im Unterricht oder einen Tag länger Zeit fürs Referat bekommen konnten. Young: "Ich habe das Spiel in vier Kursen getestet, mit über 100 Schülern. Es war stets ein Motivationsschub, besonders für die schwächeren Schüler. Auch der Zusammenhalt der Klassen hat sich verbessert." Inzwischen exportiert er sein Schulsystem weltweit.

Eine aktuelle Studie der University of Rochester im US-Bundesstaat New York legt nahe, dass moderates Spielen die Gehirnleistung fördern könnte: Gamer können sich laut der Wissenschaftler schneller auf neue Aufgaben einstellen. Aber: "Der Einsatz von Games im Unterricht sollte immer einen Grund haben. Sie müssen gut eingebettet sein, sonst verpuffen die positiven Effekte schnell", sagt Johannes Fromme, Professor für Medienpädagogik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Die Pädagogen müssten sich dabei auf ein neues Rollenverständnis einlassen: Weil die meisten Schüler beim Gaming einen großen Wissensvorsprung hätten, müssten Schüler und Lehrer auf Augenhöhe voneinander lernen.

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