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mp Groß-Gerau - Die meisten Ertrinkungsunfälle sind vermeidbar. Kommt es dennoch zu einem Badeunfall, kann es lebensrettend sein, wenn Eltern einen Kindernotfallkurs besucht haben. Alessandro Winkler / UKB

Mediziner entzaubern Mythos über "sekundäres Ertrinken" von Kindern

In den vergangenen Jahren wurde vermehrt in Medienberichten suggeriert, Kinder könnten noch Stunden oder sogar Tagen nach dem Verschlucken von kleinen Wassermengen versterben.


In den vergangenen Jahren wurde vermehrt in Medienberichten suggeriert, Kinder könnten noch Stunden oder sogar Tagen nach dem Verschlucken von kleinen Wassermengen versterben. Viele Eltern befürchten deshalb, dass das Spielen im Wasser eine ernsthafte Gefahr für ihre Kinder darstellt. Vor diesem Hintergrund ist es Dr. Till Dresbach, Neonatologie und Kinderintensivmedizin am Uniklinikum Bonn (UKB), ein wichtiges Anliegen, zu Beginn des Sommers eine medizinische und faktenbasierte Klassifizierung des Ertrinkens als Unfall- oder Todesursache zu präsentieren.

"Es ist bedauerlich, dass aufgrund einzelner tragischer Vorfälle nach wie vor in Zeitschriften und den sozialen Medien falsche Informationen über das Ertrinken verbreitet werden", betont Dresbach. "Diese irreführenden Berichte verursachen immense Ängste bei Eltern und lenken von den entscheidenden Informationen zur Prävention von Ertrinkungsunfällen ab."

Die Begriffe "sekundäres Ertrinken" oder "trockenes Ertrinken" seien keine Fachbegriffe und würden in öffentlichkeitswirksamen Medien häufig synonym verwendet und suggerieren, dass ein Mensch im Nachgang an einen Bade- oder Ertrinkungsunfall verstirbt - vermeintlich nicht durch das "klassische" Ertrinken, sondern an den Folgen des Wasseratmens. Es sei wichtig zu verstehen, dass das Verschlucken bzw. Aspirieren geringer Wassermengen in die Atemwege beim Spielen im Wasser in den meisten Fällen medizinisch nicht relevant ist. Vielmehr führt dies meistens zu einem Hustenreiz, der die Lunge schützt.

"Täglich atmen hunderte Kinder kleine Mengen Wasser beim Spielen im Schwimmbad, Pool oder Planschbecken ein, und dies stellt in der Regel keine Gefahr dar." sagt Prof. Dr. Andreas Müller, Direktor der Abteilung für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am UKB, der solche Fälle während seiner langjährigen klinischen Erfahrung nicht beobachtet hat. In den vergangenen zehn Jahren sei kein einziges Kind im UKB aufgrund des Verschluckens von Wasser während des Schwimmens intensivmedizinisch behandelt worden.

Wirkliche Gefahr bestehe erst, wenn größere Mengen Wasser in die Lunge gelangen. "In solchen Fällen kann sich der Zustand in den ersten Stunden nach der Rettung aus dem Wasser verschlechtern", sagt Müller. Es sei jedoch wichtig festzuhalten, dass Menschen nicht unerwartet Tage oder Wochen später an Ertrinken sterben, ohne vorherige Symptome zu zeigen.

Bei folgenden Symptomen raten die Bonner Kinderintensivmediziner nach einem Badeunfall einen Arzt aufzusuchen: Dazu gehören anhaltender Husten, schnelle und angestrengte Atmung, Erbrechen und psychische Auffälligkeiten.
Als Faustregel gilt: Wenn beim Schwimmen Wasser eingeatmet wird und anschließend die Symptome schwerwiegender sind als beim Verschlucken eines Getränks, sollten Eltern oder Aufsichtspersonen sich mit ihren Kindern ärztlich vorstellen oder medizinische Hilfe aufsuchen.

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