Angst vor der digitalen Zeitreise

Begriffe wie 'twittern', 'chatten' und 'surfen' sind für viele ältere Menschen böhmische Dörfer. An diesem Zustand dürfe sich in absehbarer Zeit auch kaum etwas ändern. Denn der ältere Teil der Bevölkerung erhält zu wenig Hilfe, wenn es darum geht, mit der Internet-Welt in Kontakt zu kommen.


Begriffe wie "twittern", "chatten" und "surfen" sind für viele ältere Menschen böhmische Dörfer. An diesem Zustand dürfe sich in absehbarer Zeit auch kaum etwas ändern. Denn der ältere Teil der Bevölkerung erhält zu wenig Hilfe, wenn es darum geht, mit der Internet-Welt in Kontakt zu kommen. "20 Millionen ältere Menschen in Deutschland bleiben bei der Digitalisierung auf der Strecke", sagt dazu Informatik-Professor Herbert Kubicek vom Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib), einem Forschungsinstitut an der Universität Bremen. Er fordert von der Politik massive Investitionen, um auch die Seniorinnen und Senioren bei der Digitalisierung mitzunehmen: "Vor dem Hintergrund unserer rapide alternden Gesellschaft wäre es mehr als fahrlässig, auf diesem Gebiet weiterhin so wenig wie bisher zu tun."

Zusammen mit seiner Kollegin Barbara Lippa von der Stiftung Digitale Chancen hat Herbert Kubicek eine aktuelle Studie mit neuen Forschungsergebnissen zur Alterslücke veröffentlicht. Das Ergebnis: Von den über 70-Jährigen haben mehr als 10 Millionen das Internet noch nie genutzt. Besorgniserregend: Der Abstand zwischen den Nutzungsquoten der Jungen und Alten - die sogenannte Alterslücke - hat sich seit 2001 in dieser Altersgruppe nicht verringert. "Bisherige Maßnahmen haben also offensichtlich keine nachhaltige Wirkung erzielt", lautet das Fazit des Informatikers.

In dem Projekt konnten rund 400 ältere Menschen über Seniorentreffs und Begegnungsstätten für acht Wochen einen Tablet PC ausleihen und ein Begleitangebot nutzen. Zu Beginn wurden sie nach ihren Erwartungen, am Ende der Ausleihzeit zur tatsächlichen Nutzung befragt. "Viele Senioren hatten erwartet, dass ihnen die Tablet-Nutzung Wege erspare und sie auch länger selbständig bleiben könnten", sagt Barbara Lippa. "Aber weniger als 25 Prozent haben dann tatsächlich online eingekauft oder andere Transaktionen vorgenommen." Das Fazit: Gerade "schwierigere" Anwendungen werden mit zunehmendem Alter seltener genutzt. "Aber genau die könnten bei abnehmender Mobilität das Leben der Älteren erleichtern und nützlich sein", sagt Kubicek.

Tablet-Abendkurse würden da eher wenig helfen. Die Ängste der Älteren betreffen die technische Bedienung, Registrierung, sichere Passwörter, die man nicht aufschreiben darf. Aber auch die Frage, was bei falscher oder fehlerhafter Lieferung von Waren zu tun ist. Die Wissenschaftler schlagen daher vor, dass auf diese Vorbehalte mit ganz anderen Konzepten und Angeboten reagiert werden sollte: "Keine Kurse mit gemischten Gruppen, sondern lieber Coaching in kleinen homogenen Gruppen" lautet ihre Lösung. Neben praktischen Übungen, in denen es beispielsweise auch um den rechtlichen Verbraucherschutz geht, sollte es vor allem auch regelmäßige Sprechstundenangebote geben, wo man auch nach einem Training noch Hilfe bekommen könne.

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