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wid Groß-Gerau - Verbraucher achten bei häufig anfallenden Käufen stärker auf Preisänderungen. Steve Buisinne / pixabay.com

Gefühlte und tatsächliche Inflation klaffen auseinander

Während die Schweizer im Mai 2023 eine Inflationsrate von lediglich 2,2 Prozent
verzeichneten, lag sie in Deutschland und Österreich mit 6,1 Prozent (gefühlt 18 Prozent) und 8,8 Prozent fast drei beziehungsweise vier Mal so hoch.


Während die Schweizer im Mai 2023 eine Inflationsrate von lediglich 2,2 Prozent
verzeichneten, lag sie in Deutschland und Österreich mit 6,1 Prozent (gefühlt 18 Prozent) und 8,8 Prozent fast drei beziehungsweise vier Mal so hoch. Woher diese große Divergenz in der Preissteigerung der alpinen Anrainerstaaten kommt und warum die gefühlte und die tatsächliche Inflation so weit auseinander liegen, hat der Kreditversicherer Allianz Trade untersucht.

Verbraucher würden beispielsweise stärker auf Preisänderungen bei häufig anfallenden Einkäufen wie Lebensmittel, Getränke oder Kraftstoff achten. Würden dort die Preise überdurchschnittlich steigen, würden die Menschen dazu neigen, eine wesentlich höhere Teuerung zu empfinden.

In Europa sowie im deutschsprachigen Raum klaffen die tatsächlichen Teuerungsraten weit auseinander. Die Inflationsrate in der EU lag zuletzt bei durchschnittlich über acht Prozent. In der Eurozone lag die Teuerungsrate im Mai bei 6,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings fällt die Inflation in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich aus. Im Mai 2023 reicht die Spanne von 2,8 Prozent in Griechenland bis 13,0 Prozent in Polen und 21,5 Prozent in Ungarn.

In der Eurozone hat ein schwacher Euro gegenüber dem Dollar die Inflation erhöht, da Rohstoffe wie Öl oder Gas, die in Dollar gehandelt werden, teurer geworden sind. In den letzten Wochen und Monaten hat Deutschland aufgrund der Zinserhöhungen der EZB von dem stärkeren Euro profitiert. Die Erzeuger- und Großhandelspreise sind daher seit Herbst 2022 gesunken, was die Inflation mit einer gewissen Verzögerung dämpfen wird.

Dass Österreich eine höhere Inflation hat als die deutschen Nachbarn, ist keineswegs neu - allerdings ist der Abstand aktuell höher als in den letzten Jahrzehnten. Ein Teil erklärt der unterschiedliche Warenkorb: Österreich hat einen starken Tourismussektor, in dem Investitionen in höhere Qualität in letzter Zeit zu einem starken Preisanstieg geführt haben. Da der Tourismussektor im Warenkorb der harmonisierten Verbraucherpreise in Österreich fast dreimal so viel Gewicht hat wie in Deutschland, bestimmt er somit die höheren Inflationsraten.

Der Unterschied besteht aber auch bei den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen fort. In Deutschland hatten Tank-Rabatt, 9-Euro-Ticket bzw. nun 49-Euro-Ticket inflationsdämpfende Wirkung. In Österreich stiegen hingegen nach Ende der wesentlich stärkeren und längeren Mehrwertsteuersenkung die Preise im Anschluss besonders stark.

Die Schweiz profitiert indessen vom seit langem starken Schweizer Franken, der die Inflation über die Importpreise und die unterschiedliche Konsumstruktur aufgrund des höheren Einkommensniveaus im Land dämpft. Zudem versorgt sich die Schweiz weitgehend selbst mit Strom aus Wasserkraft und Kernenergie und importiert nur wenige Lebensmittel. Die Schwankungen der Lebensmittelpreise werden auf dem Weltmarkt durch variable Zölle reguliert, die die inländischen Erzeuger und Verbraucher gleichermaßen schützen. Infolgedessen sind viele Waren in der Schweiz zwar teurer, aber die Preise sind weniger volatil.

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