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wid Groß-Gerau - Das Familienidyll wird getrübt, wenn beide Elternteile arbeiten müssen, für die Kinder aber die Betreuungsplätze fehlen. Victoria_Regen / pixabay.com

Erwerbstätige Eltern mit verkürzter Kinder-Betreuung konfrontiert

Mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Eltern sind mit Schließungen oder verkürzten Kinder-Betreuungszeiten konfrontiert.


Mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Eltern sind mit Schließungen oder verkürzten Kinder-Betreuungszeiten konfrontiert. Zehn Jahre, nachdem der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr in Kraft getreten ist, fehlen nicht nur zahlreiche Betreuungsplätze: Auch ein großer Anteil der erwerbstätigen oder arbeitsuchenden Eltern, die offiziell für ihr Kind einen Platz in der Kita oder bei Tageseltern haben, kann nicht auf eine zuverlässige Betreuung vertrauen.

Gut 57 Prozent von ihnen waren in diesem Frühjahr mit Kürzungen der Betreuungszeiten und/oder sogar zeitweiligen Schließungen der Einrichtung aufgrund von Personalmangel konfrontiert. Das ist ein Ergebnis der neuen Welle der repräsentativen Erwerbspersonenbefragung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, für die im Juli insgesamt mehr als 5000 erwerbstätige und arbeitsuchende Personen online befragt wurden.

"Die Zahl ist ein Alarmsignal: Die frühe Bildung in Deutschland steht auf wackligen Füßen. Sie wurde zwar in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark ausgebaut", sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. "Aber unzureichende finanzielle Ausstattung und der damit zusammenhängende Fachkräftemangel in Erziehungsberufen machen sie unzuverlässig".

Von den 469 befragten Eltern, die ihre Kinder in einer Kita oder bei einer/einem Tagesmutter/-vater in Betreuung gegeben haben, gaben 38 Prozent an, dass die Einrichtung in den drei Monaten vor der Befragung zeitweise wegen Personalmangels geschlossen hatte. Bei 47 Prozent kam es aus diesem Grund zu Verkürzungen der vereinbarten Betreuungszeiten. Da ein Teil der Eltern sowohl mit Kürzungen als auch mit Schließungen zurechtkommen musste, summiert sich die Quote der Betroffenen insgesamt auf 57,4 Prozent.

Sehr viele Eltern stellt das vor große Probleme im Alltag: 67 Prozent der betroffenen Befragten gaben an, dass sie die Ausfälle bei der Kinderbetreuung bzw. die zeitliche Verkürzung als belastend empfinden. 30 Prozent bewerten die Situation sogar als "sehr belastend". Knapp die Hälfte der betroffenen Mütter und Väter hat während der Schließung oder Kürzung der Betreuungszeit Urlaub genommen oder Überstunden abgebaut, um die Betreuungslücke auszugleichen. Knapp 30 Prozent mussten zeitweilig ihre Arbeitszeit reduzieren.

"Die Befragungsdaten zeigen, wie dringend die Arbeitsbedingungen in Erziehungsberufen verbessert werden müssen", sagt Kohlrausch. "Denn es droht eine sich selbst verstärkende Spirale nach unten: Es gibt generell zu wenige Stellen an Kitas, weil die Betreuungsschlüssel zu schlecht sind und zu wenig ausgebildet wird. In dieser Situation steigen dann Erzieher aus.

Es gebe keine schnelle Patentlösung für das Problem, das sich über Jahre aufgebaut hat, betont die Soziologin. Trotzdem könne und müsse die Politik etwas tun. "Ein Ansatz wäre eine Ausbildungsoffensive für Erziehungsberufe, gekoppelt an deutlich bessere Personalschlüssel. Ein zweiter die Bezahlung." Trotz einiger Verbesserungen sei da noch Luft nach oben. Und mehr Geld könnte abgewanderte Fachkräfte dazu bewegen, wieder in den Bereich der frühen Bildung zurückzukehren.

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