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wid Groß-Gerau - Mensch, ärgere dich nicht! Die AfD will eine Politik gegen die ökonomischen Interessen der eigenen Wählerschaft durchsetzen. blickpixel / pixabay.com

Top-Ökonom entdeckt Paradox im Programm der AfD

Der Direktor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Professor Marcel Fratzscher betrachtet das Parteiprogramm der Alternative für Deutschland (AfD) unter ökonomischen Gesichtspunkten und warnt Wähler vor einem starken Paradox.


Der Direktor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Professor Marcel Fratzscher betrachtet das Parteiprogramm der Alternative für Deutschland (AfD) unter ökonomischen Gesichtspunkten und warnt Wähler vor einem starken Paradox, nämlich: Hauptleidtragende der AfD-Politik wären die eigenen Wähler.

Die Unterstützung für die AfD hat sich laut aktuellen Umfragen seit den vergangenen Bundestagswahlen vor zwei Jahren auf mehr als 20 Prozent verdoppelt. Auf der Agenda der Partei stehen vor allem EU-skeptische und zuwanderungsfeindliche Ziele. Mit Hilfe des von der Bundeszentrale für politische Bildung entwickelten Wahl-O-Mat werden die einzelnen Einstellungen der Partei verglichen mit den Anliegen ihrer Unterstützer.

Dabei macht der Ökonom auf ein bemerkenswertes Paradox aufmerksam: "Menschen, die die AfD unterstützen, würden am stärksten unter der AfD-Politik leiden, und zwar in Bezug auf fast jeden Politikbereich: Wirtschaft und Steuern ebenso wie Klimaschutz, soziale Absicherung, Demokratie und Globalisierung", sagt Fratzscher. Dieses Paradox scheine mit einer falschen Selbsteinschätzung vieler AfD-Wähler und mit einer Fehleinschätzung der gesellschaftlichen Realität zusammenzuhängen.

Mit den Lebensverhältnissen der AfD-Unterstützer hat sich eine aktuelle Forsa-Umfrage befasst. Demnach ist die AfD-Wählerschaft überdurchschnittlich häufig männlich: Aktuell würden sich 23 Prozent der Männer, aber nur 15 Prozent der Frauen für die AfD entscheiden. Überdurchschnittlich häufig würden mit 24 Prozent Menschen zwischen 45 und 59 Jahren die Partei wählen. Unter Rentnern (15 Prozent) und jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren (14 Prozent) sind sie eher unterdurchschnittlich vertreten. Ältere Untersuchungen haben gezeigt, dass ihr Einkommen ebenso wie ihre Bildung eher gering bis mittelhoch ist.

Analysen des Parteiprogramms zeigen, für welche Politik die AfD steht: zum Beispiel für eine extrem neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik. Sie setzt sich in fast allen Bereichen für Steuersenkungen, wie neuerdings bei der Erbschaftsteuer, und gegen Steuererhöhungen ein, wie gegen die Besteuerung großer Vermögen. Den Solidaritätszuschlag für die Spitzenverdienern will sie komplett abschaffen. Das Gleiche gilt für die Wirtschaftspolitik, bei der die AfD generell die Rolle des Staates beschneiden und die Macht des Marktes vergrößern will.

"Bemerkenswert ist, dass die AfD sich noch stärker und umfassender für eine marktorientierte Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ausspricht als die FDP - obwohl die beiden Parteien recht unterschiedliche Wählerklientele haben", betont der Ökonom. Vor allem in den Bereichen Wirtschaft, Steuern, Klima und Soziales gebe es große Gemeinsamkeiten in den Antworten zwischen AfD, FDP und CDU/CSU.

"Die Widersprüche zwischen den Interessen der AfD-Wähler und den Positionen der AfD könnten kaum größer sein", folgert Fratzscher. Steuersenkungen für die Spitzenverdiener, niedrigere Löhne für Geringverdiener und eine Beschneidung der Sozialsysteme würden AfD-Wähler viel stärker negativ treffen als die Wähler der meisten anderen Parteien. Würde sich die AfD-Politik also durchsetzen, käme es zu einer Umverteilung von Einkommen und sozialen Leistungen von AfD-Wählern hin zu den Wählern anderer Parteien.

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