Neuartiges Heiz- und Kühlsystem für Gebäude
Ein Gebäude von außen zu heizen, ist auf den ersten Blick eine merkwürdige Idee. Doch ein solches System soll laut Wissenschaftlern eine ganze Reihe an Vorteilen bringen. Momentan läuft die Erprobung einer neuartigen Flächenheizung, die außen auf die Betonfassade des Testgebäudes an der Universität des Saarlandes aufgebracht wurde.
Ein Gebäude von außen zu heizen, ist auf den ersten Blick eine merkwürdige Idee. Doch ein solches System soll laut Wissenschaftlern eine ganze Reihe an Vorteilen bringen. Momentan wird eine neuartige Flächenheizung außen auf die Betonfassade des Testgebäudes an der Universität des Saarlandes aufgebracht. Die Bauarbeiten an dem Gebäude sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Anschließend beginnt die Testphase mit Messungen in den kommenden zwei Heiz- und Kühlperioden. Das Projekt endet Mitte 2017.
Entwickelt wurde das System im Rahmen des Forschungsprojekts "LEXU II - Low Exergy Utilisation" von Ingenieuren der IZES gGmbH (Institut für ZukunftsEnergieSysteme). Es besteht aus einer Solaranlage, die sowohl thermische als auch elektrische Energie erzeugt, einer Wärmepumpe und einem Eisspeicher. Die Gebäudeheizung soll die Grundlast der Wärmeversorgung weitgehend mittels erneuerbarer Energien decken und es ermöglichen, Wärmeerzeugung und -verbrauch zeitlich zu entkoppeln.
"Die außenliegende Wandheizung besteht aus sogenannten Kapillarrohrmatten", erläutert Christoph Schmidt, Projektleiter bei IZES. Rund 160 Quadratmeter Fassadenfläche wurden mit diesen Kapillarrohrmatten belegt. Sie bestehen aus sechs Millimeter dicken Röhrchen, die ein Wasser- Glykol-Gemisch enthalten und in Vor- und Rücklaufleitungen am Sockel der Fassade münden. Nach der Installation verschwinden sie unter einer Schicht von gut wärmeleitendem Putz. Das ermöglicht eine homogene Temperaturverteilung in der Wand und ist außerdem notwendig, da abschließend ein Wärmedämmverbundsystem aufgebracht wird.
Kapillarrohrmatten werden schon seit längerem als Fußbodenheizung und für Gebäude-Innenwände und Decken genutzt. "Neu ist ihr Einsatz als außenliegende Wandheizung", sagt Christoph Schmidt. Der größte Vorteil sei, dass die Nutzer beziehungsweise Bewohner durch das Anbringen der Flächenheizung kaum beeinträchtigt würden. Zudem könnten wegen der Lage der Flächenheizung zwischen bestehender Wand und neuer Wärmedämmung sehr niedrige Vorlauf-Temperaturen von 20 Grad bis 25 Grad Celsius nutzbar gemacht werden.
Ein weiterer Pluspunkt: "Die 34 Zentimeter dicke Betonwand wird auf diese Weise thermisch aktiviert - das Ergebnis ist eine große thermische Speichermasse." Auf diese Weise würden Wärme oder Kälte in der Außenwand zwischengespeichert, und ihre Erzeugung und Verbrauch könnten zeitlich entkoppelt werden. "Neben der Beheizung steht auch die Kühlung im Fokus unseres Forschungsprojekts", so Schmidt.
Die Erzeugung von Wärme und Kälte übernimmt eine Wärmepumpe. Sie entnimmt die Energie aus einem sogenannten "Eisspeicher", eine wassergefüllte Betonzisterne mit einem Volumen von zehn Kubikmeter und einer großen Wärmeaustauschfläche. Der Eisspeicher regeneriert sich teilweise aus dem Erdreich, hauptsächlich aber über eine Solaranlage auf dem Dach des Gebäudes. Als Hybridmodul liefert sie nicht nur Wärme aus Sonnenkollektoren, sondern zusätzlich auch elektrische Energie durch Photovoltaik.
Gesteuert und überwacht wird das System über eine Technikzentrale, in die permanent die Daten aller wichtigen Parameter einlaufen. Dazu gehören nicht nur die Werte in der Außenwand, sondern auch Raumtemperatur, -feuchte und Raumbelegung. Da alle Räume einen eigenen Heizkreis der außenliegenden Wandheizung besitzen, können sie individuell angesteuert und geregelt werden.
"Das System bietet eine Vielzahl an Betriebsarten und Optimierungsmöglichkeiten", sagt Danny Jonas. Er ist Doktorand am Lehrstuhl für Automatisierungs- und Energiesysteme von Prof. Georg Frey und untersucht die verschiedenen Betriebsstrategien der Anlage. "Wir können sowohl eine möglichst kostengünstige Betriebsweise als auch eine möglichst effiziente oder autarke Betriebsstrategie wählen", erläutert er. (vm/en-wid)
