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wid Groß-Gerau - Großer Batzen: Einen bedeutenden Teil des volkswirtschaftlichen Vermögens besitzt in Deutschland eine relativ kleine Oberschicht. PublicDomainPictures / pixabay.com

1,4 Billionen Euro im Besitz der reichsten Deutschen

Die Vermögen der reichsten Haushalte in Deutschland dürften weitaus größer sein als in Forschung, Medien und Öffentlichkeit angenommen.


Die Vermögen der reichsten Haushalte in Deutschland dürften weitaus größer sein als in Forschung, Medien und Öffentlichkeit angenommen. Dies teilte nun die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung mit, die zuvor eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben hatte.

Gründe für die deutliche Unterschätzung der Milliardenvermögen sind laut Studie, dass es mehr von diesen hohen Vermögen geben dürfte als bislang angenommen. Zudem seien die bekannten Großvermögen in bisherigen Analysen teilweise unterbewertet aufgrund der unvollständigen Erfassung von Gewinnausschüttungen oder weil Unternehmensanteile oder Immobilien in ihrem Wert unterschätzt würden.

Der Untersuchung zufolge sind wichtige Steuersätze zur Besteuerung der Erträge aus Milliardenvermögen seit 1996 deutlich gesenkt worden. Neben der Aussetzung der Vermögensteuer habe sich beispielsweise der Steuersatz auf nicht ausgeschüttete Gewinne seit 1996 in etwa halbiert.

Ein weiteres Ergebnis: Die meisten der über 200 Milliardenvermögen in Deutschland stünden zwar mit großen Unternehmen in Zusammenhang und entfallen meist auf Mitglieder der (ehemaligen) Eigentümerfamilien. In knapp jedem fünften Fall beruhe das aktuelle Vermögen aber im Wesentlichen schlicht auf dem Verkauf der Firma. Und auch, wenn Familien noch wirtschaftlich mit einem Unternehmen verbunden seien, werde dieses nur in gut der Hälfte dieser Fälle durch Familienmitglieder geleitet.

Bei der anderen Hälfte beschränke sich die Rolle der Familie auf eine Mitgliedschaft in den Kontrollgremien oder eine stille Teilhaberschaft. Bei der Mehrzahl der Milliardenvermögen könne daher nicht von "Unternehmertum" als direkter Quelle des Reichtums die Rede sein.

"Geeignete Maßnahmen gegen die zunehmende Ungleichheit scheitern an politischem Widerstand und an weitverbreiteten Mythen und Fehleinschätzungen der Öffentlichkeit zu Vermögens-Verteilung und -Besteuerung", sagen die Studienautoren Julia Jirmann und Christoph Trautvetter von der Nichtregierungsorganisation "Netzwerk Steuergerechtigkeit". Wo Informationen fehlten, habe Lobbyismus leichtes Spiel, mehr unabhängige Reichtumsforschung sei dringend nötig. Die Böckler-geförderte Studie leistet dazu einen Beitrag, ihr Datensatz ist öffentlich abrufbar.

Eine verstärkte legale Steuerflucht als Reaktion auf eine eventuell stärkere Heranziehung von Milliardenvermögen erwarten die Fachleute mit Blick auf ihren Datensatz nicht, unter anderem weil die mittlerweile geltende sogenannte "Wegzugsbesteuerung" einen Umzug zur Steuerminimierung unattraktiver mache.

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