Wann Schulden machen klug ist
Im Begriff 'Schulden' steckt das negativ besetzte Wort 'Schuld'. Damit lassen sich leicht Droh-Kulissen wie die Metapher des 'Schulden-Bergs' errichten. Doch Ökonomen gehen sehr viel sachlicher an den Schulden-Begriff heran:
Im Begriff "Schulden" steckt das negativ besetzte Wort "Schuld". Damit lassen sich leicht Droh-Kulissen wie die Metapher des "Schulden-Bergs" errichten. Doch Ökonomen gehen sehr viel sachlicher an den Schulden-Begriff heran: "Kluge Schulden heute sind der Wohlstand von morgen", pointiert es beispielsweise Marcel Fratzscher, Direktor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Fratzscher hält es für falsch, starr an der Schuldenbremse festzuhalten.
Dass Sparen gut und Schulden schlecht sind, sei ein grundlegendes deutsches Missverständnis. "Aufklärung ist gefragt", betont der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Berliner Humboldt-Universität. Mehr noch: Die Obsession beim Sparen könne Deutschland die Zukunft kosten. Man müsse mit grundlegenden Missverständnissen zu Sparen und Schulden in Deutschland aufräumen.
Das Klischee, man müsse erst Geld erwirtschaften und sparen, bevor es ausgegeben werden könne, sei hierzulande sehr verfestigt. "Daher trifft die Kritik von Opposition und Medien an der Bundesregierung für ihre Ausgabenpolitik auf so starke Resonanz und könnte Deutschland in eine tiefe politische Krise stürzen."
Kein Land häufe pro Jahr mehr Geld an als die Bundesrepublik. Und der öffentliche Diskurs in Deutschland sei von grundlegenden Widersprüchen geprägt. Zum einen gebe es kein Land in der Welt, das jedes Jahr mehr Ersparnisse anhäufe. Was in den Statistiken als Leistungsbilanz beschrieben werde, zeige, dass Deutschland seit 2005 meist mehr als 200 Milliarden Euro jährlich an Nettoersparnissen aufgebaut und ins Ausland verliehen habe.
"So hat Deutschland mittlerweile 2500 Milliarden Euro mehr an Ersparnissen im Ausland - Direktinvestitionen, Kredite oder Finanzanlagen - als das Ausland in Deutschland", berichtet Fratzscher. Das Problem: "Deutsche Sparer und Investoren haben diese häufig nicht sehr klug angelegt und immer wieder viel Geld im Ausland verloren." Es würde in vielen Fällen sehr viel klüger sein, Gelder in Deutschland zu investieren.
Ergebnis: Die öffentlichen Vermögenswerte wie Straßen, Brücken, Schulen, öffentliche Einrichtungen, Beteiligungen und andere Finanzvermögen sind geschrumpft. Und genau hier liege das Problem bei der deutschen Obsession hinsichtlich der Schuldenbremse, so Fratzscher. "Die Schuldenbremse ist blind, wenn es darum geht, wofür der Staat sein Geld ausgibt." Sie behandle Investitionen genauso wie öffentlichen Konsum oder staatliche Subventionen.
Der Widerspruch im öffentlichen Diskurs liege darin, dass Unternehmen und Bürger sich über zu hohe Schulden und eine schlechte Infrastruktur beklagen, aber gleichzeitig auch weniger Steuern und Abgaben zahlen wollen. Mehr Ausgaben mit geringeren Schulden und weniger Steuern - das sei mit den Gesetzten der Logik aber nun mal unvereinbar.