Mütter von den Krisen am stärksten belastet

Erst die Pandemie, dann die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs - zahlreiche Menschen haben das Gefühl, in einer Dauerkrise zu stecken. Das gilt besonders für Mütter.


Erst die Pandemie, dann die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs - zahlreiche Menschen haben das Gefühl, in einer Dauerkrise zu stecken. Das gilt besonders für Mütter. Sie fühlen sich gerade finanziell deutlich stärker belastet als andere Bevölkerungsgruppen, gleichzeitig ist ihr Vertrauen in den Staat auf einen Tiefpunkt gesunken. Das ist ein Ergebnis der aktuellen Welle der Erwerbspersonenbefragung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Dies sei ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Situation von Familien und insbesondere von Müttern dringend einen höheren Stellenwert in der Politik benötigt. "Die von der Bundesregierung angekündigte Kindergrundsicherung ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung", sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des zur Hans-Böckler-Stiftung gehörenden Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI).

"Die befragten erwerbstätigen oder arbeitsuchenden Mütter sind deutlich unzufriedener mit dem Krisenmanagement als der Rest der Bevölkerung", sagt Kohlrausch. Die Politik habe lange ignoriert, dass in der Gesellschaft nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch Sorgearbeit geleistet werden muss - und die bleibe hauptsächlich Sache der Frauen.

Für die neue Welle der Befragung, die Kohlrausch zusammen mit den WSI-Forschern Dr. Andreas Hövermann und Dr. Helge Emmler auswertet, wurden im vergangenen November rund 5100 Erwerbstätige und Arbeitsuchende zu ihrer Lebenssituation befragt. Dieselben Personen waren seit Frühjahr 2020 mehrmals interviewt worden, wodurch Veränderungen im Zeitverlauf ersichtlich werden.

Zwar ist der Anteil der Mütter, die sich insgesamt stark belastet fühlen, im Vergleich zum Beginn der Coronakrise gesunken, als Lockdowns und die Schließung von Kitas und Schulen den Alltag prägten. Er lag im November 2022 aber immer noch bei knapp 30 Prozent - und damit höher als bei allen anderen Gruppen. Im Durchschnitt aller Befragten waren es zum gleichen Zeitpunkt rund 22 Prozent.

Auch in den Bereichen Familie, Arbeit und Finanzen hatten Mütter zuletzt höhere Belastungen als andere Gruppen. Besonders auffällig: 40 Prozent der Mütter berichteten von starken finanziellen Belastungen, im Durchschnitt aller Befragten taten dies 27 Prozent. "Das ist ein Alarmzeichen, denn finanzielle Probleme und Armut insbesondere von Müttern sind ja besonders eng verbunden mit der Armut von Kindern und Jugendlichen", sagt Soziologin Kohlrausch.

"Es würde zwei wichtige Verbesserungen darstellen, wenn die geplante Kindergrundsicherung erstens bessere Leistungen ermöglicht und zweitens Hürden abräumt, damit Ansprüche auch wirklich wahrgenommen werden können", betont Kohlrausch. Bislang würden allzu viele Eltern an der Bürokratie scheitern. Eine schnelle Umsetzung eines überzeugenden Konzepts könne auch helfen, das zuletzt erodierte Vertrauen zurückzugewinnen.

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