Deutsche Betriebe schwach in puncto Weiterbildung
Beim Beklagen des Fachkräftemangels sind deutsche Betriebe groß. Deutlich bescheidener ist die Performance der Unternehmen hinsichtlich Weiterbildung.
Beim Beklagen des Fachkräftemangels sind deutsche Betriebe groß. Deutlich bescheidener ist die Performance der Unternehmen hinsichtlich Weiterbildung. Dies geht aus einer neuen Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor.
Die Untersuchung kommt zu keinem zufälligen Zeitpunkt an die Öffentlichkeit: "Mehr und bessere Weiterbildung zur Fachkräftesicherung": Das steht in dieser Woche auf der Tagesordnung des Bundestags, wo nun der Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung beraten wird.
Für Betriebsräte ist Fort- und Weiterbildung ein Dauerthema. Schließlich sind Qualifikationen auf der Höhe der Zeit entscheidend für die Beschäftigungschancen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Mitbestimmte Betriebe tun insgesamt mehr für die Qualifizierung ihrer Beschäftigten als solche ohne Mitbestimmung.
Trotzdem halten laut WSI-Studie zahlreiche Betriebsräte die Weiterbildungsanstrengungen ihrer Unternehmen nicht für ausreichend. In jedem zweiten Betrieb bemüht sich der Arbeitgeber, die Beschäftigten für aktuelle Anforderungen zu qualifizieren, zeigt die Untersuchung, die auf einer Umfrage unter mehr als 2700 repräsentativ ausgewählten Betriebsräten basiert. Nur knapp 43 Prozent der Unternehmen betreiben laut Beschäftigtenvertreter eine langfristige Planung der Qualifizierung, die strategisch darauf abzielt, die Beschäftigten auch fit zu machen für zukünftige Anforderungen.
Vor dem Hintergrund von Digitalisierung und rapidem Wandel der Arbeitswelt seien das problematisch niedrige Anteile, konstatieren die WSI-Expertinnen Serife Erol und Dr. Elke Ahlers - zumal verschiedene Studien eindeutig belegen, dass in Betrieben mit Betriebsrat bereits mehr für Weiterbildung getan wird als in Betrieben ohne Mitarbeitervertretung, deren Werte also noch geringer ausfallen dürften.
So zeigt ein Forschungsüberblick in der Studie unter anderem: Angebot und Beteiligung an Qualifizierungen sind größer und insbesondere ältere, geringer qualifizierte oder befristet Beschäftigte haben einen besseren Zugang, wenn es einen Betriebsrat gibt. Zudem übernehmen die Arbeitgeber dann häufiger die Kosten für Weiterbildungen und sorgen für die nötigen Freistellungen. Der positive Effekt ist demnach besonders ausgeprägt in Unternehmen, die technologischen Nachholbedarf haben.
Doch auch wenn mitbestimmte Betriebe damit im Mittel besser abschneiden als nicht mitbestimmte: Auch dort gibt es nach Einschätzung der Mitte bis Ende 2021 befragten gut 2700 Betriebsräte auch bei wichtigen Rahmenbedingungen noch häufig Luft nach oben. Lediglich knapp 48 Prozent gaben an, der Arbeitgeber unterstütze Beschäftigte bei der Weiterbildung finanziell ausreichend. Und nur gut 38 Prozent konstatieren, den Beschäftigten werde genug Zeit eingeräumt, sich weiterzubilden.
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse bewerten die WSI-Forscherinnen den Gesetzentwurf zur Weiterbildung in Zeiten beschleunigter Transformation als wichtigen Schritt in die richtige Richtung: "Das darin vorgesehene Qualifizierungsgeld würde von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten über einen teilweisen Entgeltersatz finanzielle Sicherheit bieten, während sie sich auf eine zukunftssichere Beschäftigung im gleichen Unternehmen weiterbilden." Auch würde das Qualifizierungsgeld unabhängig von der Betriebsgröße, dem Alter oder der Qualifikation der Beschäftigten gezahlt.
Bedauerlich sei hingegen, dass die ursprünglich vom Bundesarbeitsministerium angestrebte Bildungszeit nicht umgesetzt wird, weil es Widerstände in der Ampel-Koalition gab. Die Bildungszeit hätte dafür sorgen können, dass mehr Beschäftigte auch wirklich die nötige Zeit für Qualifizierungsmaßnahmen bekommen. "Bildungszeit kann die Beschäftigten dabei unterstützen, ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten eigenständig wahrzunehmen. Insbesondere für solche Beschäftigte, die von ihren Arbeitgebern kaum Weiterbildungsangebote erhalten, kann diese Bildungszeit von großem Nutzen sein.", schreiben Erol und Ahlers. Das falle weg, wenn nicht im parlamentarischen Verfahren noch nachgebessert werde.



