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wid Groß-Gerau - Immer mehr Rentner in Deutschland müssen jeden Euro zweimal rumdrehen. Wolfgang Eckert / pixabay.com

Altersarmut durch Rentenreformen

Der Direktor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratzscher hat sich die Rentenpläne der amtierenden Regierungskoalition genauer angeschaut und hat schlechte Nachrichten für künftiger Rentner.


Der Direktor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratzscher hat sich die Rentenpläne der amtierenden Regierungskoalition genauer angeschaut und hat schlechte Nachrichten für künftiger Rentner. Der Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin betont in seinem Wirtschafts-Blog: "Wer das Rentenalter erhöht, vergrößert die Zahl der Erwerbsgeminderten."

Ein blinder Fleck in der Rentendebatte sei, dass jeder fünfte Beschäftigte durch eine Erwerbsminderung - verursacht durch Unfall, Erkrankung oder Behinderung - gar nicht oder nicht voll bis zum Renteneintritt erwerbstätig bleiben könne. "Wird das Renteneintrittsalter erhöht, bedeutet dies somit, dass ein immer größerer Anteil der Beschäftigten in die Erwerbsminderung rutscht", stellt Fratzscher klar. Und damit werde auch das Armutsrisiko für immer mehr Menschen zunehmen. "Dieses Dilemma muss die Bundesregierung auflösen."

Eine neue Studie des DIW zeigt ernüchternde Zahlen: 4,5 Millionen Menschen in Deutschland beziehen heute entweder eine Erwerbsminderungsrente (sind also bereits vor dem Renteneintrittsalter erwerbsgemindert) oder waren erwerbsgemindert und sind nun im Ruhestand. Das Armutsrisiko (definiert als Einkommen von weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens) dieser Menschen liegt bei rund 26 Prozent und ist damit fast doppelt so hoch wie für die gesamte Bevölkerung (16 Prozent). Für Menschen unter 65 Jahren liegt das Armutsrisiko sogar bei 34 Prozent, das heißt, ein Drittel aller Erwerbsgeminderten vor der Altersrente ist armutsgefährdet.

"Dies ist ein katastrophales Bild, denn jeder und jede Beschäftigte erwirbt explizit durch die eigenen Rentenbeiträge auch eine Versicherung gegen Erwerbsminderung", erklärt der Ökonom. "Aber nicht nur, dass überproportional viele Menschen mit niedrigen Einkommen in die Erwerbsminderung rutschen, diese Versicherung ist zudem so gering, dass viele durch eine Erwerbsminderung in Armut geraten und aus dieser Lage ihr Leben lang nicht mehr herauskommen."

Überproportional betroffen seien Menschen mit geringem Einkommen. Denn es seien meist Menschen mit geringen Löhnen, die durch ihre Berufe ein besonders hohes Risiko an Unfällen und körperlicher und psychischer Belastung hätten. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters würde also unweigerlich die Anzahl der erwerbsgeminderten Beschäftigten erhöhen und gleichzeitig die Ungleichheit und soziale Polarisierung innerhalb der Gesellschaft verstärken.

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