Farbenblindheit und die Wahrnehmung der Welt
Farbenblindheit ist eine verbreitete Sehstörung. Grundsätzlich sind mehr Männer betroffen als Frauen. Diese Besonderheit bedeutet in der Regel nicht, dass gar keine Farben wahrgenommen werden können. Vielmehr existierten verschiedene Abstufungen der Sehstörung.
Farbenblindheit – was ist das eigentlich genau?
Ein farbenblinder Mensch sieht normalerweise scharf und präzise wie jeder andere auch. Das Problem liegt in der Wahrnehmung und Unterscheidung der farbigen Lichtwellen. Rotes, grünes oder blaues Licht strahlt in verschiedenen Wellenlängen und wird vom Auge anders verarbeitet.
Zuständig für die Interpretierung des Farbimpulses sind spezialisierte Seh-Zäpfchen auf der Netzhaut (Retina).
Während Normalsichtige bis zu 1 Million verschiedener Farbabstufungen wahrnehmen können, sind es bei einer Farb-Sehstörung gerade einmal 10.000 (1 %).
Rot-grün-blinde Menschen können neben Rot und Grün auch deren Mischfarben nicht erkennen. Lila erscheint wie Blau, weil der Rotanteil von der Netzhaut nicht erkannt wird. Ähnlich verhält es sich mit Orange und Braun. Sehr dunklen Farben werden vorzugsweise schwarz wahrgenommen. Nur sehr selten erkennen Farbenblinde überhaupt keine Farben mehr und leben in einer Welt aus Grauabstufungen und schwarz-weißen Kontrasten.
Wer ist betroffen?
Farbenblindheit wird genetisch in der Mutterlinie vererbt oder tritt als Begleiterscheinung von Diabetes oder Multipler Sklerose auf. Auch das Lebensalter und bestimmte Medikamente können zu Problemen mit der Farb-Sichtigkeit führen. Betroffen sind 8 % der Männer und nur 0,5 % Frauen. Weltweit sind das rund 300 Millionen Menschen.
Interessanterweise wissen viele Betroffene gar nicht, dass sie in einer anderen Welt leben, als der Rest der sehenden Menschen. Ist die Farbenblindheit angeboren, kennen die Menschen nichts anderes. Schwierig wird es erst dann, wenn Farben im Kunstunterricht in der Schule, im Verkehr oder als Warnfarben auf Packungen oder Medikamenten auftauchen.
Verschiedene Arten der Farbenblindheit
Inwieweit Menschen gar keine Rot-, Grün- oder Blautöne wahrnehmen, ist unterschiedlich. Partielle Farbenblindheit ist ebenso möglich wie Abstufungen in der Intensität der Sehstörung.
Protanopie – Rot-Blindheit
Rotlicht ist ein langwelliges Licht und wird von den L-Zapfen in der Netzhaut verarbeitet. Betroffene (Protanope) können Rot und Grün sowie Blau und Grün kaum unterscheiden. Rot wird als Grün, Violett als Dunkelblau und Rosa als Hellblau wahrgenommen. Gelb wird erkannt.
Eine Rot-Sehschwäche ist die abgemilderte Form und wird als Protanomalie bezeichnet.
Deuteranopie – Grün-Blindheit
Grün ist kurzwelliger als Rotlicht und wird von M-Zapfen weitergeleitet. Fehlen diese kann ein Betroffener (Deuteranop) Grün von Rot und Blau nur schwer unterscheiden. Die Welt erscheint in einer Mischung aus Blau, Gelb und gräulichen Grüntönen. Die Grün-Sehschwäche heißt sie Deuteranomalie.
Tritanopie – Blau-Blindheit
Hier fehlen die K-Zapfen, die normalerweise das kurzwellige Licht auf der Netzhaut auffangen. Tritanope können Blau und Gelb nur schwer unterscheiden. Statt Blau und Grün sehen sie Türkis und Grau. Lila wird Schwarz und das ganze Weltbild bekommt einen Rotstich.
Bei der Blau-Sehschwäche, der Tritanomalie, können Betroffene Blau und Lila gerade noch erkennen.
Achromasie – vollständige Farbenblindheit
Bei dieser sehr seltenen Farbenblindheit treten zwei Formen auf. Die okulären Achromatopsie ist auf eine Störung der Netzhaut zurückzuführen. Betroffene sehen nur ein verschwommen-nebeliges Grau-Weiß und sind empfindlich gegenüber Helligkeit.
Die noch seltenere cerebrale Achromatopsie geht mit einem durch Unfälle oder Krankheiten erworbenen neurologischen Defekt einher. Je nach Grad und Sitz der Störung sehen Betroffene scharf, aber nur Schwarz-Weiß und Grauabstufungen.
So bewältigen Farbenblinde den Alltag
Menschen, die Rot oder Blau nicht wahrnehmen können, müssen Verkehrsschilder völlig anders lernen, als Normalsichtige. Treten die Farbinterpretationen in den Hintergrund, werden Umrisse und Symbole wichtiger.
In der Regel vermissen Farbenblinde aber nichts, sie gewöhnen sich sehr schnell an die andere Form der Wahrnehmung oder kennen einfach nichts anderes.
Was trotz Farbenblindheit möglich ist und wie anders kolorierte Welten aussehen zeigt der US-amerikanische Illustrator Loren Long. Seine Kinderbücher sind Farbkompositionen mit einem ganz eigenen Zauber.
Ähnlich faszinierend sind die Installationen des Briten Luke Jerram. Er spielt gekonnt mit den Grenzen der Wahrnehmungen und versetzt Schwimmbäder und Hallen in mystische Lichtkompositionen.
Brillen für Farbenblinde
Der englische Hersteller Pilestone hat sich auf Sehhilfen für Farbenblinde spezialisiert. Durch Zufall setze ein farbenblinder Freund das Modell auf und konnte erstmals in seinem Leben Orange erkennen.
In einer groß angelegten Marketing-Aktion verschickte Pilestone Brillen mit einer Tüte bunter Luftballons an Farbenblinde zum Testen. Die Technologie arbeitet mit einer speziellen Filterung verwirrender Lichtwellen. Farben können plötzlich differenzierter dargestellt und von Farbenblinden wieder besser erkannt werden



