Ein Erreger kommt selten allein
Mehr als 85 Prozent der Todesfälle während der Spanischen Grippe sind nicht primär auf das Grippevirus zurückzuführen, sondern auf eine darauffolgende Infektion mit Bakterien. Ein Jahrhundert später sind solche Sekundärinfektionen immer noch verhängnisvoll.
Mehr als 85 Prozent der Todesfälle während der Spanischen Grippe sind nicht primär auf das Grippevirus zurückzuführen, sondern auf eine darauffolgende Infektion mit Bakterien. Ein Jahrhundert später sind solche Sekundärinfektionen immer noch verhängnisvoll. Eine Forschungsgruppe aus Wien fand heraus, dass Grippeimpfungen helfen, die Bakterien in Schach zu halten. Dabei setzten sie auf ein modernes Impfstoffformat.
Schätzungen zufolge starben zirka 50 Millionen Menschen an der 1918 ausgebrochenen Spanischen Grippe. Auslöser der Pandemie war ein hochinfektiöser Abkömmling des Influenzavirus. Heute belegen historische und klinische Daten, dass in einem Großteil der Fälle die Todesursache nicht die Viruserkrankung selbst war, sondern eine Lungenentzündung durch bakterielle Infektion.
Solche Sekundär- oder Superinfektionen entstehen auf dem Nährboden einer vorangegangenen Virusinfektion und sind auch in Zeiten von Antibiotika noch besorgniserregend. So schätzen Wissenschaftler, dass bei der Influenzapandemie von 2009 (umgangssprachlich "Schweinegrippe") etwa ein Viertel der Verstorbenen mit Bakterien co-infiziert war.
Forscher der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) konnten nun feststellen, dass eine Influenzaimpfung auch als Schutzschild gegen bakterielle Sekundärinfektionen wirkt. Unter dem Projektnamen "VLPs zur Prävention bakterieller Post-Influenza-Infektionen" widmete sich eine Forschungsgruppe um Reingard Grabherr und Projektleiterin Miriam Klausberger dem Thema. Die Wissenschaftler setzten dabei eine aussichtsreiche moderne Impfstoffform ein.
Der Grundgedanke ihres Projekts ist simpel: "Wir wissen, dass eine Influenzainfektion den Boden für bakterielle Komplikationen bereitet", sagt Projektleiterin Miriam Klausberger. Im Umkehrschluss könne es also vorteilhaft sein, die virale Infektion mit einer Impfung zu verhindern.
Um dieser These nachzugehen, kooperierten die Forscher mit dem Moskauer Mechnikov Forschungsinstitut für Impfstoffe und Seren. Die österreichischen Forscher stellten einen Influenzaimpfstoff her, der auf virusähnlichen Partikeln (virus-like particles, VLPs) basierte. Dieser wurde am russischen Institut zur Immunisierung von Mäusen für die geplante Versuchsreihe genutzt.
"VLPs sind ein Phänomen, das bei vielen Viren natürlicherweise vorkommt", erläutert Klausberger. "Es handelt sich um defekte Partikeln, die bei der Virusvermehrung entstehen." Äußerlich seien sie von ihrem infektiösen Gegenstück nicht zu unterscheiden. Aber da ihnen das genetische Material im Inneren fehle, könnten sie sich nicht weiter vermehren. Das mache VLPs zu einem relativ sicheren und sehr effektiven Impfstoffformat.