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mp Groß-Gerau - Die Umwelt ist für Kinder mit der Diagnose Asperger-Autismus laut und anstrengend; sie benötigen viel Rückzug und liebevoll gebotene Struktur im Alltag. dubova - stock.adobe.com / therapie.de

Autistische Kinder meist gut integrierbar

Für Kinder und Jugendliche, die mit der vor allem genetisch übertragenen Neurodiversität leben, sind die Integrationschancen sehr hoch.


Für Kinder und Jugendliche, die mit der vor allem genetisch übertragenen Neurodiversität leben, sind die Integrationschancen sehr hoch. Etwa ein Prozent der deutschen Bevölkerung ist von der Störung betroffen, bei Erwachsenen ist aufgrund der erst seit Anfang der 1990er Jahren laufenden Diagnostik das Ausmaß nicht ausreichend bekannt. Es gibt ein breites Spektrum, das auch Autismus genannt wird, und daher sind die Therapieansätze vielseitig.

Entgegen der landläufigen Meinung sind Betroffene nicht stets minder-intelligent wie beim Kanner-Autismus: Gerade bei der Asperger-Form geht eine normale bis hohe Intelligenz einher. Diese beiden Formen sind bereits frühkindlich erkennbar, beim atypischen Autismus lässt sich das erst in höherem Kindesalter feststellen.

Ein Beispiel: Die Diagnose Asperger-Syndrom erhielt Christine P. erst mit 27 Jahren. Für sie war die Diagnose eine große Erleichterung, denn erstmals konnte sie Antworten auf viele Fragen in ihrem Leben finden. Auch der Kontakt mit ihrem Umfeld wurde einfacher, da sich nun viele ihrer Verhaltensweisen erklären ließen, zum Beispiel das sehr penible Beharren auf vereinbarte Uhrzeiten. Sie prägt ein starkes Bedürfnis nach Struktur, Routine und Ritualen.

Inzwischen richtet sie ihr Leben so ein, dass es nicht nur erträglich, sondern erfüllt ist. Seit der Asperger-Diagnose weiß sie um ihre Auffälligkeiten. Partys und Disco-Besuche etwa bedeuten nur Stress und überfordern sie völlig. Und ohne feste Strukturen könnte sie auch heute ihren Alltag kaum bewältigen. Am Arbeitsplatz benötigt sie wenig Pausen und kaum Kollegenkontakt. Ein Nebeneinander mehrerer Tätigkeiten verwirrt sie. Sie kann mehr leisten, wenn sie Aufgaben strukturiert und nacheinander erledigt.

Menschen mit Autismus haben eine andere neurologische Art (neurodevelopmental disorder). Hinzu kommen biologische Faktoren, manchmal auch beim Ablauf der Geburt. Ihr Gehirn nimmt genetisch bedingt äußere Reize anders wahr, manchmal stärker und manchmal schwächer. Eine weitere Bezeichnung ist daher "Reizfilterschwäche".

Für Nichtbetroffene lässt sich dies am einfachsten so beschreiben: Betroffene sind wie Trichter, in die alles hineinfällt, ohne dass es Abzweigungen für nicht brauchbare Eindrücke gibt. Wenn ein Betroffener einen Tag in einer Großstadt verbringt, beispielsweise viele Geschäfte und ein lautes Restaurant besucht hat, kann er zum Tagesabschluss nicht mehr ins Kino gehen, wenn er das Programm bis dahin überhaupt ertragen hat.

Alle Reize werden von allen Sinnen viel stärker wahrgenommen. Daher gibt es bei etlichen Betroffenen das Verhalten des totalen Stopps: Sie entziehen sich dann komplett der Alltagssituation, weil sie nicht mehr die eigene Energie aufbringen, die Situation zu beherrschen und nach den erwünschten Verhaltensregeln zu funktionieren.

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