Neuer Einblick in Hirn-Alterung
Bei der Erforschung von Hirnzellen kann es noch Überraschungen geben: Martin Hetzer, Molekularbiologe und Präsident des Institute of Science and Technology Austria (ISTA), und Kollegen haben nun bemerkenswert stabile Moleküle gefunden. Es handelt sich um RNA, die üblicherweise als kurzlebig gilt.
Bei der Erforschung von Hirnzellen kann es noch Überraschungen geben: Martin Hetzer, Molekularbiologe und Präsident des Institute of Science and Technology Austria (ISTA), und Kollegen haben nun bemerkenswert stabile Moleküle gefunden. Es handelt sich um RNA, die üblicherweise als kurzlebig gilt, jedoch in Nervenzellen von Mäusen über deren gesamte Lebensdauer hinweg fortbesteht.
Hetzer faszinieren vor allem die Rätsel rund um den Alterungsprozess in Organen wie dem Gehirn, dem Herzen und der Bauchspeicheldrüse. Die meisten Zellen dieser Organe werden während des gesamten Lebens eines Menschen nicht erneuert. Die Nervenzellen (Neuronen) im menschlichen Gehirn beispielsweise können so alt sein wie der Organismus selbst und müssen ein Leben lang funktionieren.
Das hat Konsequenzen für das Altern des Gehirns und birgt Risikofaktoren für Erkrankungen wie beispielsweise Alzheimer. Um solche krankhaften Veränderungen zu verstehen, ergründen Forscherteams die Funktionsweise und Selbsterhaltung der Nervenzellen im Laufe der Zeit. Daraus könnten sich potenzielle Möglichkeiten ergeben, der Alterung dieser spezifischen Zellen therapeutisch entgegenzuwirken.
Das Innere der Zellen ist ein sehr dynamischer Ort. Einige Bestandteile werden ständig erneuert und aktualisiert, andere bleiben ihr ganzes Leben lang gleich. Man kann sich das wie eine Stadt vorstellen, in der sich die alten Gebäude mit neuen vermischen. Die DNA, die sich im Zellkern - der Altstadt - befindet, ist so alt wie der Organismus selbst. "Die DNA in unseren Nervenzellen ist identisch mit der DNA in den sich entwickelnden Nervenzellen im Mutterleib", erklärt Hetzer.
m Gegensatz zur DNA, die ständig repariert wird, zeichnet sich die RNA durch ihre Kurzlebigkeit aus, insbesondere gilt das für die Messenger-RNA (mRNA), die Proteine anhand der DNA formt. Es gibt aber auch sogenannte nicht kodierende RNAs. Diese werden nicht in Proteine umgebaut, sondern haben bestimmte Aufgaben, die zur Gesamtorganisation und Funktion der Zelle beitragen. Ihre Lebensspanne war bis jetzt ein Rätsel. Genau dieses Rätsel wollte das Team um Hetzer entschlüsseln.
"Erstaunlicherweise zeigten unsere ersten Bilder, dass langlebige RNAs in verschiedensten Zelltypen im Gehirn vorhanden sind", berichtet Hetzer. Die Forscher konnten sich anschließend ausschließlich auf die langlebigen RNAs in Nervenzellen konzentrieren. Sorgfältig quantifizieren sie ihre Konzentration während des gesamten Lebens einer Maus, untersuchten ihre Zusammensetzung und analysierten ihre Positionen.
Während Menschen eine durchschnittliche Lebenserwartung von etwa 70 Jahren haben, beträgt die typische Lebensspanne einer Maus 2,5 Jahre. Nach einem Jahr war die Konzentration der langlebigen RNAs im Vergleich zu Neugeborenen leicht reduziert. Nach zwei Jahren waren sie aber immer noch nachweisbar, was auf eine lebenslange Existenz dieser Moleküle hindeutet.
Zusammenfassend zeigt die neue Studie, dass langlebige RNAs zur dauerhaften Regulierung der Genomstabilität beitragen könnten. "Die Selbsterhaltung der Zellen im Alter erfordert eine erweiterte Lebensdauer von Schlüsselmolekülen wie den langlebigen RNAs, die wir nun entdeckt haben", sagt der Molekularbiologe. Noch ist die Forschungsarbeit nicht abgeschlossen. Und so wollen die Wissenschaftler jetzt den genauen biologischen Eigenschaften dieser langlebigen RNAs auf die Spur kommen.